Sunday Stories

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Sonntagsausflug in Sachen fairer Mode! Foto: Lisa Notzke

Wiebke nutzt zusammen mit Mira und Rebecca den letzten „Fast Fashion“-Ausstellungs-Sonntag in Hamburg, obwohl die Herbstsonne dem MKG ordentlich Konkurrenz macht – wie unser Foto beweist :). Zur Belohnung läßt diese die hanseatisch-schlichten Outfits der drei Kolleginnen strahlen.

Liebe Wiebke, wenn euer heutige Look einen Titel hätte, dann welchen?
Das ist einfach: „Be green in any colour you like“. Mira und Rebecca tragen nämlich faire Marken wie Nudie Jeans, Kuyichi und ekn, und mein Kleid ist aus der aktuellen Herbst-/Winter-Kollektion vom Kölner Label LANIUS, meine Schuhe von hessnatur.

Bei so einem konsequent-nachhaltigen Look vermuten wir, dass ihr irgendwas mit dem Thema zu tun habt… oder?
Ja, richtig. Ich mache seit 5 Jahren glore Hamburg. Das ist ein Concept Store für Green Fashion. Und Mira und Rebecca gehören ebenso zum Kernteam des Ladens. Bei uns findest du nur Kleidung, Accessoires und Kosmetik die ökologisch und fair produziert wurde. Ein bisschen mehr Info gibt es hier: www.glore-hamburg.de und hier: www.glore.de.

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glore in der Marktstraße 31 ist jeweils von 11 bis 19 Uhr für euch geöffnet, außer sonntags :) Foto: Lisa Notzke

Wow, dann bist du ja ein Profi in Sachen fairer Mode. Wie kam es dazu? Gab es eine Initialzündung, an die du dich erinnerst?
Ich habe vor knapp 10 Jahren mit einem Freund zusammen das kleine T-Shirt-Label fairliebt gegründet. Damals war uns von Anfang an klar, dass, wenn wir Kleidung verkaufen wollen, diese auch gut produziert sein muss. Es sollte keiner darunter leiden, nur weil wir beide gerne T-Shirts mit unseren eigenen Designs haben wollten. Also ließen wir unsere eigenen fairen Bio-Shirts in Kenia produzieren, alles IVN BEST zertifiziert. So rutschte ich sozusagen in das ganze Thema rein. Hast du einmal die ganze Grausamkeit in der Textil- und Modeindustrie hinterfragt, kannst du nicht wieder zurück zu konventioneller Mode. Du bleibst öko. Zum Glück hat sich in den letzten 10 Jahren so viel getan, dass wir bei glore nicht auf schöne Kleidung, Trends und Styles verzichten müssen …

Und wie hat dir unsere Ausstellung „Fast Fashion“ gefallen?
Die Ausstellung finde ich super! Selbst mir, obwohl ich das alles schon kenne, wurde bei einigen Filmen und Texten ganz anders. Ich wurde zum Teil ganz emotional. Ich finde es toll, wenn eine Ausstellung das schafft. Ich denke keiner geht aus dem Museum raus ohne weiter über das Thema nachzudenken. Im Laden haben wir auch gemerkt, dass einige kamen, weil sie nach Alternativen gesucht haben.

Vielen Dank, Wiebke!

ff

Schick geflickt: Drei Tipps, wie ihr eure Stricksachen rettet

Der November naht und so langsam werden all die dicken Wollpullis und Cardigans wieder salon- und sofafähig. Doch was, wenn der Zahn der Zeit, die ein oder andere hungrige Motte oder die Kollision mit einem Riesenkaktus unseren Stricksachen kleine oder auch größere Blessuren verpaßt haben? Weg damit in den Müll? Bitte nicht! Es gibt zum Glück verschiedene kreative Rettungsmaßnahmen, die manches Teil sogar noch schöner machen, drei davon stellen wir euch heute kurz vor:

1. Aufnäher, Patches, Applikationen

Wie auch immer man die Dinger nennen will, das Prinzip ist klar: ein bereits vorgefertigter Flicken wird über die Unglücksstelle gelegt und befestigt: meistens genäht oder aufgebügelt. Bei Stricksachen ist hier jedoch manchmal besondere Vorsicht geboten: wenn zum Beispiel das Garn gerissen ist und sich der Pulli ohne Spezialeinsatz immer weiter „auftroddelt“ oder wenn ihr ein kuschelweiches Material nicht durch einen festen Aufnäher ruinieren wollt, helfen euch eher die beiden anderen Techniken weiter. Ansonsten haben wir hier schon ein ein paar Tipps zu Patches gesammelt, flauschige Strickaufnäher wie auf unserem Bild findet ihr z.B. bei Purl Soho.

2. Strickstopfen

Der Klassiker schlechthin, um Löcher in Stricksachen verschwinden zu lassen. Hierbei kann die schadhafte Stelle entweder mit einer kleinen angedockten Webarbeit überbrückt werden oder mit dem sogenannten „Maschenstopfen“ tatsächlich neu gestrickt werden. Wer hierbei noch auf den Rat einer wissenden Oma zurück greifen kann, hat Glück, ansonsten bieten Webseiten wie Handarbeitszirkel.de, Hauswirtschaft.info und Hobbyschneiderin.net Anleitungen mit Step-Fotos, mit denen eigentlich nichts mehr schief gehen kann. Trendtipp: Wer dabei auffällige, andersfarbige Wolle benutzt, macht aus dem vermeintlichen Makel gleich noch ein Slow Fashion-Statement! Unzählige Blogs und Textil-Künstlerinnen wie Celia Pym machen es vor.

3. Flicken nadelfilzen

Eine andere Möglichkeit ist es, die Löcher mit der Nadelfilz-Technik auszubessern. Hierbei wird Filzwolle über das Loch gelegt und solange mit einer Nadel bearbeitet, dass die kleinen Wollhärchen eine feste Verbindung eingehen und ein haltbarer Flicken entsteht. Auch hier könnt ihr euren Strickstücken mit der richtigen Farbkombi einen neuen Look verpassen und sogar herzförmige Hingucker sind möglich. Der YouTube-Channel „One Problem less“ hat ein kleines Video-Tutorial veröffentlicht, das euch beweist, wie einfach das ganze ist:

PS: Für alle englischsprachigen unter euch: US-Housekeeping-Queen Martha Stewart erklärt beide Stopf-Techniken sowie Knopflöcher-Ausbessern und Knöpfe-Annähen hier.

ff

 

 

 

 

Qualität als Grundbedürfnis!

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William Morris, Dekorationsstoff Strawberry Thief, London, 1883, Ausführung: Morris & Co., Merton Abbey/Surrey, 1883, Baumwollgewebe, Indigo-Ätzdruck, im Handdruck mit Modeln 3-farbig bedruckt L. 518 cm, B. 98 cm, © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Im Rahmen von „Fast Fashion“ beschäftigen wir uns seit Monaten mit der Frage nach langlebigen Produkten, fairen Arbeitsbedingungen und Umweltbewusstsein in Zeiten von Massenproduktion und Preiskämpfen auf dem globalen (Mode-)Markt. Hochaktuell und dennoch nichts neues – schon seit rund 100 Jahren beschäftigen sich Designer mit genau diesen Themen. Im 19. Jahrhundert konnten im Zuge der Industrialisierung  Waren plötzlich in großen Mengen und quasi am laufenden Band hergestellt werden. Das Prinzip Quantität vor Qualität trat dabei immer stärker in den Vordergrund, sodass schon bald eine Gegenbewegung zu der kommerziellen Ausrichtung von Massenwaren entstand. Die sogenannte Arts and Crafts Bewegung hatte sich sogar das Ziel gesetzt, das Kunsthandwerk wiederzubeleben und zu reformieren. Menschenwürdige Produktionsbedingungen und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Materialien inklusive.

Eine Schlüsselfigur dieser sozialkritischen Bewegung war der Kunsthandwerker, Architekt, Dichter und Unternehmer William Morris. 1861 gründete er die Firma Morris, Marshall & Faulkner, die sich ausdrücklich gegen die sterile Hässlichkeit maschinell erzeugter Produkte wandte und stattdessen nach höchsten handwerklichen Qualitätsmaßstäben Textilien, Bücher, Tapeten und Möbel herstellte und vertrieb. In seinem utopischen Roman „News from Nowhere“ beschrieb er zudem das Bild eines Lebens ohne soziale Unterschiede, im Grünen, inmitten handgefertigter Waren. Denn da Morris ein leidenschaftlicher Anhänger des revolutionären Sozialismus war, wollte er natürlich auch für jedermann erschwingliche Waren von höchster Schönheit und Langlebigkeit herstellen. Diese Idee war jedoch zum Scheitern verurteilt, denn auch damals waren exklusive, handgefertigte Waren teuer, und Morris war nicht in der Lage, die Preise zu senken.

Dennoch sind die Gedanken der Art and Crafts Bewegung gerade in der heutigen Zeit absolut präsent, denn umgeben von Fast Fashion ist die Qualität von Waren für viele Menschen wieder zum Grundbedürfnis geworden. Handmade vor Kinderarbeit und Slow Fashion statt Fast Fashion ist en vogue. Auch andere gesellschaftliche Bewegungen finden ihren Ursprung in der Zeit um 1900: Vegetarismus, Freikörperkultur, Psychoanalyse, die Sehnsucht der Städter nach einem „einfachen“, ursprünglichen Leben in der Natur oder in fernen Ländern – diese immer noch aktuellen Themen behandelt ab Samstag, den 17. Oktober unsere neue Sonderausstellung „Jugendstil – Die große Utopie“. Zeitgleich erstrahlt auch der Sammlungsbereich Jugendstil in neuem Glanz, hier könnt ihr Möbel, Vasen, Tapisserien und gesamte Raumensembles bestaunen (alle Fotos von Dirk Fellenberg/Martin Luther):

Die Entwürfe von Morris und anderen Jugendstil-Künstlern sind in dieser Modesaison übrigens wieder absolut im Kommen. Der New Yorker Marc Jacobs, dessen Interesse am Schaffen von Morris weit zurückreicht, verwendet seine Muster für die aktuelle Herbst/Winter-Kollektion 2015/16. Dabei werden Morris‘ florale Motive mit viktorianisch anmutenden Maxiröcken und sleeken 70s-Disco-Kleidern kombiniert.

mb/ff

Sterben für die Mode

Der Countdown läuft! Unsere Ausstellung „Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“ ist nur noch wenige Tage zu sehen, doch Wegwerf-Klamotten und ihre Folgen werden uns noch lange beschäftigen. Wir freuen uns, dass auch der deutsch-französische Kultsender Arte das Thema aufgreift und am Dienstag, den 20. Oktober einen Themenabend mit dem klugen Titel „Sterben für die Mode“ sendet. Gezeigt werden gleich zwei spannende Dokumentationen in Erstausstrahlung:

„Todschick – Die Schattenseite der Mode“ um 20.15 Uhr handelt von den nach wie vor katastrophalen Zuständen in der Textilbranche. Auch 2 Jahre nach dem Rana Plaza-Unglück sind nicht nur die Gebäude marode, auch die Löhne sind weiterhin miserabel und die Herstellungsmethoden oft lebensgefährlich. Dabei versprechen die Modeunternehmen seit langem, dass ihre Ware unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wird. Im Auftrag mehrerer NGOs kämpft die junge französische Anwältin Marie-Laure Guislain dafür, einen französischen Discounter wegen seiner offensichtlich betrügerischen Werbeversprechen vor Gericht zu bringen. In Bangladesch nimmt die Anwältin die Spur auf, befragt Zeugen und findet Beweise, die ihren Verdacht erhärten. Die Anklage gegen den milliardenschweren Konzern wird zum Präzedenzfall.

Auch „Giftiges Leder“ um 21.10 Uhr beschäftigt sich mit den Produktionsbedingungen in Bangladesch, genauer gesagt in der Gerberhochburg Hazaribag, wo Lederarbeiter gut zwölf Stunden täglich mit hochtoxischen Substanzen agieren und selten älter als 50 Jahre werden. Nicht nur die Menschen, auch die Umwelt leidet, denn die Gerbereien lassen ihre hochgiftigen Abwässer ungefiltert in den zentralen Fluss ab. Anwälte, Gewerkschafter und Wissenschaftler kämpfen verzweifelt für eine Verbesserung der Verhältnisse. Keine leichte Aufgabe, denn die größten Gerbereien gehören Regierungsmitgliedern, die ihre Macht nutzen, um sich drohenden Sanktionen zu entziehen. Was muss passieren, damit sich etwas ändert?

Und das ist noch nicht alles! Schon nächste Woche Dienstag, den 13. Oktober, also eine Woche vor dem offiziellen Fernsehstart feiert Arte eine exklusive Premiere von „Todschick – Die Schattenseite der Mode“ hier bei uns im MKG. Dazu gibt es natürlich Kurzführungen durch „Fast Fashion“ und Filmautorin Inge Altemeier (via Skype), Dr. Claudia Banz (Kuratorin unser Ausstellung „Fast Fashion“), Rainhard Hornung (Ko-Autor) sowie Katrin Bronnert (Redaktion NDR/ARTE) stehen Rede und Antwort zu den brisanten Hintergründen. Dieser spannende Abend ist eigentlich nur für eingeladene Gäste, doch wir konnten euch 2 x 2 Karten sichern. Schreibt uns einfach bis Sonntag eine Email mit dem Betreff „Todschick“an stilbrise@mkg-hamburg.de und mit etwas Glück seid ihr dabei! 

 ff

Ethno in edel!

Santa Lupita

Der Ethno-Chic ist ja seit einiger Zeit nicht mehr aus der Modewelt wegzudenken und auch in diesem Herbst sind Fransen und Aztekenmuster wieder überall zu sehen. Als großer Mexiko-Fan fallen mir aber leider nur allzu oft die Unterschiede zwischen den Fast Fashion-„Kopien“ und wirklich traditionellen Textilien auf, wie man sie zum Beispiel im Textilmuseum in Oaxaca und den angrenzenden Kunsthandwerkermärkten findet. Umso erfreuter war ich, als ich beim Summer Popup Store im neuen Konsumtempel Bikini Berlin plötzlich einen Stand mit wunderschönen, tatsächlich handbestickten Textilien entdecke. Das eilig inspizierte Schildchen gibt mir recht: „Santa Lupita – Love Stitches from Mexico“. Im Internet finde ich dann die komplett fair produzierte Kollektion für Frauen, Männer, Kinder und Babys und die spannende Geschichte des jungen Labels. Macher Jorge Acevedo lebt in Berlin und nimmt sich für uns die Zeit zu einem umfangreichen Interview.

Hola Jorge, deine Kollektion erzeugt bei mir sofort Urlaubsstimmung. Was für ein Konzept verfolgt ihr? Und wer ist Santa Lupita?
Lupita ist der Kosename für Guadalupe, einen Namen, der in Mexiko sehr oft vorkommt. Mexiko ist ein katholisches Land und dort spielt die heilige Jungfrau von Guadalupe eine sehr wichtige Rolle bei den traditionellen Bräuchen. Vor allem auf dem Land, wo die Menschen sehr gläubig sind, werden viele Frauen nach ihr genannt. Neben Maria ist Lupita also der Name, den man in Mexiko am häufigsten hört. Wir wollten einen Namen, der drei Hauptelemente unserer Marke vereint: das Land Mexiko, die Frau und die Traditionen. Das Wort Santa („heilig“ auf Spanisch) kam dazu, um den Namen Reinheit zu schenken. Damit möchten wir zeigen, dass wir ein Projekt sind, das sich bemüht, die faire Behandlung und die Förderung der mexikanischen Handwerkerinnen voranzubringen.

„Santa Lupita“ ist also ein Modelabel, das auf traditionelle Weise, unter fairen Bedingungen produzierte Bekleidung anbietet. Santa Lupita trägt zum Erhalt von langsam verschwindenden Traditionen. „Santa Lupita“ ist eine Familienmarke (wir haben inzwischen auch Männerbekleidung), die in Familienhaushalten produziert wird, so dass diese Frauen in der Lage sind ihre Familien finanziell zu unterstützen ohne ihre traditionellen Mutteraufgaben vernachlässigen zu müssen. Wir bitten so zu sagen Work Life Balance auf dem Land. Wir haben keine zentrale Produktionsanlage. Unsere Künstlerinnen bleiben zu Hause und betreiben dieses „Hobby“, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, für ein paar Stunden am Tag, während die Kinder auf der Schule sind oder schlafen.

Ich habe selbst viele Textilien auf mexikanischen Märkten gekauft – zu deutlich günstigeren Preisen. Wie erklären sich eure Preise, bekommen die Näherinnen mehr Geld? Oder steckt alles im Transport? Wie ist die Arbeit organisiert?
Die Kleider, die man in Märkten in Mexiko findet, entsprechen nicht dem Qualitätsanspruch von „Santa Lupita“. In Mexiko beobachten wir ein trauriges Phänomen: Näherinnen produzieren ihre Teile zu Hause und haben keine stabilen Vertriebsmöglichkeiten. Sie müssen ihre Produkte gelegentlich in Märkten, wo sie an Touristen, die nur ein günstiges Souvenir suchen, oder über Händler, die sie im Preis sehr stark drücken, verkaufen. Die Frauen haben also keine Möglichkeit durch diese Arbeit ein stabiles und faires Einkommen zu erzielen. Oft müssen sie ihre Produkte sogar unter dem Produktionswert verkaufen, um nicht auf den gesamten Kosten sitzen zu bleiben. Das führt dazu, dass sie Alternativen suchen, um günstiger zu produzieren und dass heute viele (wenn nicht die meisten) Teile darum mit synthetischen Stoffen maschinell hergestellt werden.

Qualitativ hochwertige Teile sind auch in Mexiko sehr teuer und schwer zu finden. „Santa Lupita“-Teile sind in so einer Qualität in Mexiko teilweise kaum noch zu finden. Unsere Preise sind dementsprechend höher als auf mexikanischen Märkten, weil wir den Näherinnen einen fairen Preis für diese aufwendige Arbeit zahlen. Wir verhandeln keine Preise, zahlen sogar höhere Preise, als von den Frauen verlangt, wenn wir der Meinung sind, dass sie ihre Ware zu günstig verkaufen – aus Angst einen Auftrag zu verlieren. Gleichzeitig versuchen wir, die traditionellen Produktionsmethoden zu retten. Wir benutzen für viele Teile nur noch natürliche Farben. Günstige synthetische Stoffe sind für uns tabu. Dazu kommen viele andere Kosten: Beschaffung in Mexiko (irgendjemand muss die Arbeit in Mexiko koordinieren, dafür entstehen auch Kosten), Transport, Zoll, Vertriebskosten in Deutschland und auch Steuern (fast ein Fünftel des Preises müssen wir in Form von Mehrwertsteuer an den Fiskus weitergeben), die in Deutschland gezahlt werden müssen. Wenn man das alles berücksichtigt kann man sicherlich nicht von hohen Preisen reden.

Wie bereits erwähnt, haben wir keine zentrale Produktion. Frauen arbeiten zu Hause oder in kleinen, von ihnen organisierten Kooperativen. Wir geben den Frauen die Vorgaben für die Produktion und sie nähen und weben die Teile auf traditionelle Art und Weise. Wir sind also kein Unternehmen mit Massenproduktion. Wenn gewünscht, versorgen wir die Frauen und Kooperativen mit den Materialen – einige bevorzugen die Materialien selbst einzukaufen, weil sie diese von Verwandten oder befreundeten Händlern beziehen. Es herrschen also feste Produktions- und Lieferstrukturen in den Communities. Die Frauen bekommen den halben Preis bei der Bestellung bezahlt, so dass sie nicht in Vorleistung gehen müssen. Der Rest wird bei Abholung der Ware getilgt. Die Frauen sind in 17 unterschiedlichen Communities verteilt, die wir regelmäßig besuchen, um den Produktionsprozess zu kontrollieren.

Wie entstehen eure Kollektionen? Arbeitet ihr mit Designern oder verwenden die Stickerinnen eigene Motive?
Die Designs kommen ausschließlich von den Frauen selbst und beruhen stark auf traditionellen Mustern und Formen. Wir passen die Teile in Form und Größe an europäische Standards an, bestimmen Farben und Kombinationen und kontrollieren die Qualität. Es ist aber gedacht, dass wir in naher Zukunft selbst mit Designern arbeiten, die angelehnt an diese Muster und Formen neue Kreationen entwerfen. So werden wir innovativ und sind in der Lage, ständig neue Produkte anzubieten, die dem anspruchsvollen europäischen Modesinn entsprechen.

Was können wir Deutschen vom mexikanischen (Mode-)Verständnis lernen?
Die Menschen in Mexiko benutzen ihre traditionelle Bekleidung, um sich zu differenzieren und ihren kulturellen Wurzeln einen Ausdruck zu geben. Es geht nicht um Mode und Trends, sondern viel mehr um kulturelle Identität. Die Teile, die zu Hause produziert werden, haben eine individuelle Bedeutung für jede Frau und stellen eine persönliche Geschichte dar. Die Bekleidung wird also nicht als etwas angesehen, was man ein paar Mal anzieht und dann wieder wegschmeißt, sondern als ein Teil, der die Menschen teilweise ihr ganzes Leben begleitet und weiter an die nächste Generation gegeben wird.

Die Bekleidung muss, vor allem auf dem Land, resistent sein. Bekleidung wird dadurch nicht zu einem Gebrauchsgegenstand sondern zu einer Investition mit einem viel höheren Stellenwert als hierzulande. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer mehr verlangt. Wir brauchen ständig neue materielle Objekte, neue Anreize und freuen uns immer weniger über Sachen fürs Leben, Sachen, die eine persönliche Bedeutung haben. Dieses Verhalten ist gerade in Industrieländern sehr stark geprägt. Gerade im Modeverhalten, brauchen wir unseres Erachtens keine vorübergehenden Moden verfolgen, sondern einen eigenen Stil entwickeln, der uns als Individuen eine Möglichkeit zum Ausdruck der persönlichen Eigenschaften und Denkweisen gibt. Dies können wir vielmehr dadurch schaffen, in dem wir diese Art von traditioneller Bekleidung in die Garderobe bringen.

Das heißt nicht, dass jeder in mexikanischer Tracht laufen muss, sondern, dass jeder für sich entscheidet, welcher Stil mehr zu der eigenen Identität passt und dementsprechend seine Garderobe ausstattet, mit langlebigen Kleidern, die ein Geschichte hinter sich haben. In diesem Sinne können wir sicherlich sehr viel von den Mexikanern auf dem Land lernen.

Muchas gracias für das ausführliche Interview, Jorge, und weiterhin viel Erfolg mit „Santa Lupita“!

ff

„Zuhause in Hamburg“!

ETSYZUHAUSE

Nur vier der Produkte, die euch beim Etsy-„Zuhause in Hamburg“-Event angeboten werden: Papierwaren von NAVUCKO, Kerzen von Revivo Candela, Strickkörbe von härtslag und Shirts von FirstCollection.

„Jetzt kaufen?“ und klick! Wir alle shoppen gerne im Netz, und das immer mehr. Auch der Online-Handel mit fairen, lokalen und selbstgemachten Produkten nimmt zum Glück zu, und doch sprießen gleichzeitig immer mehr „real life“ Design- und Food-Märkte aus dem Boden. Zurecht, finden wir, denn was ist schöner, als in entspannter Atmosphäre individuelle Produkte oder den neusten Veggie-Burger zu entdecken und dabei gleich auch noch die Hersteller persönlich kennenzulernen? Dass denken sich auch unsere Freunde von Etsy und laden am 12. September ins betahaus in der Schanze zu einem ganz besonderen Offline-Shopping-Erlebnis ein.

Von 10-19 Uhr präsentieren sich rund zwanzig Hamburger Labels aus den Bereichen Fashion, Home und Living, mit dabei auch DieBeidenDrei, die ihre Taschen aus pflanzlich gegerbten Leder auch schon bei unserem HAPPY SUNDAY im Juni vorgestellt haben. Hübsch anzusehen (leider konnten wir noch nicht selbst dran riechen ;) sind auch die Kerzen von Revivo Candela aus Soja-Wachs, eine clevere Alternative zu dem sonst üblichen Klimakiller-Kerzenrohstoff Paraffin. Passend zur kommenden kuscheligen Jahreszeit und ein weiterer Stilbrise-Favorit : die handgestrickten Kissenbezüge und Körbe (!) von hjärtslag in schönen Farbkombis. Wer jetzt schon an die Zukunft denkt, der wird mit den in Deutschland gefertigten Kalenderheften vom Typographie-Label NAVUCKO sicher glücklich und auch die fairen Shirts von FirstCollection sehen spannend aus. Eine Übersicht über alle teilnehmenden Verkäufer findet ihr hier, wir sehen uns dann am Samstag :)

Wann: Samstag, 12. September, 10-19 Uhr
Wo: betahaus Hamburg, Eifflerstr. 43, 22769 Hamburg

PS: Für alle außerhalb der schönsten Stadt Deutschlands: Auch in Berlin, Dresden, Düsseldorf, München und Wien veranstaltet Etsy am 12. September „Zuhause“-Shopping-Events. Feel like home!

ff

 

Come as you are

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Califonia Dreaming! Foto: Lisa Notzke

Jamie lebt in Los Angeles, und zwar im Szene-Stadtteil Echo Park, wo sie Wirtschaft studiert und ein Restaurant managt. Ihr Urlaubslook für Hamburg ist casual und trendy zugleich: Das schwarze Maxikleid könnte dank tiefem Ausschnitt klassisch und sehr sexy wirken, das grün-karierte Flanellshirt darüber gibt dem ganzen aber eher eine lässig-gemütliche Note. Eigentlich ein perfektes (Neo-)Grunge-Outfit, wären Jamie’s Nägel nicht in bunte Kunstwerke verwandelt – und die sind 100% selbstgemacht, wie sie betont.

Jamie, du stehst auf Stilmix, oder?
Ja, absolut. Ich liebe es, alt und neu zu kombinieren, hauptsache „edgy“ und irgendwie zeitgenössisch. Ich mag es, weiblichen Style mit eher „männlichen“ Teilen zu mischen, wie man an meinem heutigen Look sehen kann. Ein anderes Beispiel wäre, ein klassisches Oxford-Shirt mit Skinny-Jeans und Boots zu tragen. 

Kennst du auch faire Modelabels und kaufst du sie?
Klar, meine Basics shoppen ich immer bei American Apparel. Sie sind übrigens fast meine Nachbarn – die Kleidung wird gleich bei bei mir die Straße runter produziert.

Was, glaubst du, hindert die Mehrheit daran, faire und nachhaltige Kleidung zu kaufen?
Ich denke, der Preis der Kleidung spielt eine große Rolle. Die Leute sind in der Regel ziemlich unachtsam und es ist so leicht, billige Klamotten zu kaufen und einfach mit dem Strom zu schwimmen …

Vielleicht liegt’s ja auch immer noch am schlechten Image: Hast du auch ein typisches Horrorbild vor Augen, wenn du an Ökomode denkst?
Nee, gar nicht. In den USA ist das Thema gerade dermaßen im Trend, dass mir nichts negatives dazu einfällt.

Vielen Dank, Jamie!

PS: Für alle, die noch Nachhilfe im Grunge-Syling brauchen: ein liebevoll-illustriertes Wiki-How-Tutorial zeigt euch, wie’s geht.

ff

Flesh Color

Da heute irgendwie TATTOO-Tag ist: Hier noch ein besonders poetisches Video aus unserer Sonderausstellung, die ihr noch bis zum 6. September besuchen könnt. Die Arbeit „Flesh Color“ stammt aus der Feder des Animationskünstlers Masahiko Adachi und haucht traditionell japanischen Tätowiermotiven Leben ein. Einfach traumhaft!

ff

No pain, no gain

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Unübersehbar: Henrikes Vorliebe für Tattoo Art. Foto: Lisa Notzke

Welche Ausstellung Henrike heute ins MKG gelockt hat, dürfte wohl klar sein, oder? Die Grafikdesignerin aus Berlin lassen normale Labels eher kalt, sie schwört auf Tätowierershirts und Merchandise-Mode ihrer Lieblingsbands. Zeit zum Shoppen hat sie sicher ohnehin wenig, allein das Stechen ihrer Bein-Tattoos hat sechzig bis siebzig Stunden umfasst (aua!) und sich über eineinhalb Jahre hingezogen. Die Mühe (ihres Freundes Karl, denn der ist praktischerweise Tätowier-Profi bei Kreuzstich Tattoo/Berlin) hat sich gelohnt: Die Illustrationen sind definitiv der Star ihres Outfits und bestimmen Henrikes sonst schlichten Look – selbst durch die Strumpfhose hindurch sind die aufwendigen Motive gut zu erkennen.

Ein Tipp für alle weniger mutigen TATTOO-Fans: Noch an zwei Sonntagen, und zwar am  2. August und 6. September könnt ihr euch in der Ausstellung von 14- 16 Uhr kostenlos ein eigenes temporäres Tattoo anfertigen, und das garantiert schmerzfrei. Entweder ihr zeichnet selbst oder lasst euch von einer Illustratorin helfen. Viel Spaß!

Stilbrise©LisaNotzke

Viele Details erkennt man erst auf den zweiten Blick. Foto: Lisa Notzke

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Grauzone

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(TATTOO-)Farben dienen Hye Ji höchstens als Fotomotiv. Foto: Lisa Notzke

Hye Ji kommt aus Seoul, Korea. Eigentlich verbringt die Fotografin ihren Urlaub in Berlin, doch für die Triennale der Photographie macht sie gerne einen Abstecher nach Hamburg. Sie möchte sich nicht traditionell koreanisch kleiden, „like most people“, wie sie sagt. Ihre eigene Style-Identität schafft sie sich durch den cleanen Look von Labels wie COS. Da es in Korea aber nur eine einzige Filiale gibt, hat Hye Ji hier in Deutschland zugeschlagen – ihr graues Kleid ist gerade mal zwei Tage alt.

Was viele übrigens nicht wissen: „Collection Of Style“= COS gehört genau wie die Marken Monki, Weekday, Cheap Monday und & Other Stories zur großen H&M-Konzerngruppe, über deren Sustainability-Potential man sich durchaus streiten kann. Die firmeneigenen Statements zu Nachhaltigkeit und fairen Löhnen könnt ihr hier nachlesen, unabhängige Medien berichten allerdings weniger positiv über den Textilriesen (hier z.B. das Onlinemagazin Quartz).

Doch zurück zu Hye Ji! Als @keji_sajin teilt die Koreanerin auf Instagram regelmäßig ihre fotografischen Eindrücke mit uns, guckt doch mal rein.

ff