Im Rahmen von „Fast Fashion“ beschäftigen wir uns seit Monaten mit der Frage nach langlebigen Produkten, fairen Arbeitsbedingungen und Umweltbewusstsein in Zeiten von Massenproduktion und Preiskämpfen auf dem globalen (Mode-)Markt. Hochaktuell und dennoch nichts neues – schon seit rund 100 Jahren beschäftigen sich Designer mit genau diesen Themen. Im 19. Jahrhundert konnten im Zuge der Industrialisierung Waren plötzlich in großen Mengen und quasi am laufenden Band hergestellt werden. Das Prinzip Quantität vor Qualität trat dabei immer stärker in den Vordergrund, sodass schon bald eine Gegenbewegung zu der kommerziellen Ausrichtung von Massenwaren entstand. Die sogenannte Arts and Crafts Bewegung hatte sich sogar das Ziel gesetzt, das Kunsthandwerk wiederzubeleben und zu reformieren. Menschenwürdige Produktionsbedingungen und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Materialien inklusive.
Eine Schlüsselfigur dieser sozialkritischen Bewegung war der Kunsthandwerker, Architekt, Dichter und Unternehmer William Morris. 1861 gründete er die Firma Morris, Marshall & Faulkner, die sich ausdrücklich gegen die sterile Hässlichkeit maschinell erzeugter Produkte wandte und stattdessen nach höchsten handwerklichen Qualitätsmaßstäben Textilien, Bücher, Tapeten und Möbel herstellte und vertrieb. In seinem utopischen Roman „News from Nowhere“ beschrieb er zudem das Bild eines Lebens ohne soziale Unterschiede, im Grünen, inmitten handgefertigter Waren. Denn da Morris ein leidenschaftlicher Anhänger des revolutionären Sozialismus war, wollte er natürlich auch für jedermann erschwingliche Waren von höchster Schönheit und Langlebigkeit herstellen. Diese Idee war jedoch zum Scheitern verurteilt, denn auch damals waren exklusive, handgefertigte Waren teuer, und Morris war nicht in der Lage, die Preise zu senken.
Dennoch sind die Gedanken der Art and Crafts Bewegung gerade in der heutigen Zeit absolut präsent, denn umgeben von Fast Fashion ist die Qualität von Waren für viele Menschen wieder zum Grundbedürfnis geworden. Handmade vor Kinderarbeit und Slow Fashion statt Fast Fashion ist en vogue. Auch andere gesellschaftliche Bewegungen finden ihren Ursprung in der Zeit um 1900: Vegetarismus, Freikörperkultur, Psychoanalyse, die Sehnsucht der Städter nach einem „einfachen“, ursprünglichen Leben in der Natur oder in fernen Ländern – diese immer noch aktuellen Themen behandelt ab Samstag, den 17. Oktober unsere neue Sonderausstellung „Jugendstil – Die große Utopie“. Zeitgleich erstrahlt auch der Sammlungsbereich Jugendstil in neuem Glanz, hier könnt ihr Möbel, Vasen, Tapisserien und gesamte Raumensembles bestaunen (alle Fotos von Dirk Fellenberg/Martin Luther):
Die Entwürfe von Morris und anderen Jugendstil-Künstlern sind in dieser Modesaison übrigens wieder absolut im Kommen. Der New Yorker Marc Jacobs, dessen Interesse am Schaffen von Morris weit zurückreicht, verwendet seine Muster für die aktuelle Herbst/Winter-Kollektion 2015/16. Dabei werden Morris‘ florale Motive mit viktorianisch anmutenden Maxiröcken und sleeken 70s-Disco-Kleidern kombiniert.
mb/ff